Dießen, September 2019

Liebe Freunde von TansaniaKids e.V.!

Im August 2019 reiste ich für eine Woche zu den Kindern und zu Mama Tecla ins Ebenezer Orphanage Center Ifakara. Jetzt konnte ich endlich mit eigenen Augen sehen, was sich vor Ort seit 2017, meiner letzten Reise dorthin, alles verändert hat. Seit der Vereinsgründung von TansaniaKids e. V. im Herbst 2017 ist dank der großzügigen Sponsoren viel geschehen.

Von Daressalam aus erreichte ich nach neun Stunden anstrengender Busfahrt den Busbahnhof in Ifakara, wo mich Mama Tecla mit einer Schar Kinder bereits erwartet hat. Alle begrüßten mich freudestrahlend und jeder wollte einen Teil meines Gepäcks tragen. Die Kinder fuhren mit Fahrrädern zurück zum Waisenhaus, für mich hatten sie ein Auto von Freunden organisiert.

 

Hinweisschild zum Waisenhaus „Ebenezer Orphanage Centre“ an der Hauptstraße                                                                                                                                                                

 

 

Besucher und Waisenkinder

 

 

Schon beim Betreten des Grundstücks liefen mir viele Kinder entgegen und umarmten mich stürmisch. Auch ein Begrüßungsessen mit Reis, Gemüse, Fleisch und Früchten zum Nachtisch war bereits vorbereitet.

Das gesamte Grundstück wirkte auf mich sehr gepflegt. Entlang der drei Hauptgebäude sind niedrige Sträucher und kleine Bäume gepflanzt worden, die durch eine Umrandung aus weiß bemalten Backsteinen vor den stürmischen Kindern geschützt sind. Die Außenwände sind in hellem Gelb frisch gestrichen und mit drei großen Tierbildern versehen. Der damals noch lehmige Innenhof mit der Wasserpumpe ist nun teilweise mit Backsteinen gepflastert. Der Regen hat die anfangs holprig verlegten Steine überwiegend eingeebnet. Die neue Küche ist etwas klein geraten, so dass in einem riesigen Topf Reis oder Ugali auf offenem Feuer im Freien zubereitet wird.

 

 

Reis für alle gekocht auf dem Holzfeuer                                                                                                                                              

 

 

In der kleinen Küche

 

 

Der neue Küchenanbau ist noch nicht fertig

 

 

Kurz nach meiner Abreise wurde das kleine Küchengebäude noch erweitert.

Neu sind auch die heißbegehrte Schaukel und ein Klettergerüst.

Alle sind begeistert

 

Wasser anstelle von Toilettenpapier

 

Die vom Verein finanzierten Bio-Toiletten (Plumps … ) sind schlicht.

Mittlerweile leben 52 Kinder in der Gemeinschaft. Ein paar davon gehen auf eine weiterführende Schule (Secondary School) und kommen nur in den Ferien nach Hause. Johari wohnt und studiert im College, das ich ebenfalls besucht habe. Einige kleine Kinder sind nachts bei Mama Teclas Schwester im nahegelegenen, ursprünglichen Gebäude untergebracht. Die Situation in den Schlafräumen ist jedoch problematisch. Zwei bis drei Kinder schlafen derzeit beengt in einem Bett. Jungen und Mädchen sind in getrennten Zimmern untergebracht. Der Bau weiterer Schlafräume ist daher dringend geboten.

Blick in einen Schlafraum für Jungen

 

 

Noch während meiner Weiterreise sind weitere Straßenkinder im Waisenhaus angekommen, für die noch eine Lösung gefunden werden muss.

Die Neuankömmlinge kommen von Tabora. Das junge Mädchen verdiente Geld als Prostituierte, um für die Kleinen zu sorgen. Mit ihrem Schulabschluss könnte sie die weiterführende Schule (Secondary School) besuchen.

 

Auch die beiden Hausmädchen sowie Mama Teclas älterer Sohn George mit seiner Frau und ihrem neugeborenen Säugling wohnen auf dem Gelände. George unterstützt Mama Tecla bei der Büroarbeit und hilft im nahegelegenen Laden des Waisenhauses mit.

 

Georges Frau und Tochter

 

 

Sibili mit einer Helferin

 

Sibili, das jüngste Waisenmädchen ist wohl auf und entwickelt sich dank der intensiven Pflege prächtig.

Während meiner Anwesenheit waren gerade keine Ferien, so dass ich den Alltag im Waisenhaus gut miterleben konnte. Alle Kinder stehen um sechs Uhr in der Früh auf und treffen sich zum Gebet, dann frühstücken alle gemeinsam. Nach dem Frühstück wird überall aufgeräumt, das Gelände mit dem Besen gereinigt, die Böden aller Räume nass gewischt und das Geschirr gespült. Dem allgegenwärtigen Staub wird man jedoch nicht Herr. Bei den täglichen Hausarbeiten helfen alle eifrig mit, jeder übernimmt eine für ihn bestimmte Aufgabe. Danach brechen die Kinder zur Schule auf. Sie ziehen in kleinen Gruppen los und beeilen sich, ja nicht zu spät zu kommen. Die Größeren kümmern sich außerdem um die jüngeren Kinder, damit diese rechtzeitig und ordentlich gekleidet zur Schule

gehen. Alle Kinder können ihre jeweilige Schule zu Fuß erreichen. Je nach Klassenstufe tragen die Schüler dabei unterschiedliche vorgeschriebene Uniformen, die nun dank des eigenen Nähzentrums selbst geschneidert sind, was die Kosten dafür erheblich minimiert hat. Sind diese Kinder unterwegs, wird es erheblich ruhiger. Auf dem Gelände verbleiben jetzt nur noch nicht schulpflichtigen sehr kleinen Kinder, die beiden Helferinnen und zwei behinderte Kinder. Zur Mittagszeit kommen die meisten Kinder zurück. Manche Kinder haben erst am Nachmittag Unterricht, da zum Teil in zwei Schichten unterrichtet wird. Drei Schulen konnte ich in der Woche besuchen. Insgesamt geht es dort sehr beengt zu, die Schulausstattung mit Lernmaterial ist dürftig. Deshalb habe ich in lfakara für ein paar der älteren Kinder zahlreiche Bücher zur Prüfungsvorbereitung gekauft.

 

Aufbruch zur Schule morgens gegen Uhr

 

Am Nachmittag werden weitere Gemeinschaftsarbeiten erledigt, wie z.B. Holzmachen, Stall reinigen, die drei Ziegen zum fressen spazieren führen, Wäsche waschen, Bäume, Sträucher und Gemüse gießen oder bei der Zubereitung des Abendessens mithelfen.

Kochbananenschälen im Team fürs Abendessen. Auch die Jüngsten sind dabei und helfen mit.

 

 

Beaufsichtigung beim Bad im Eimer. Der Reifen ist ein beliebtes Spielzeug. Wer ihn am weitesten und schnellsten rollen kann, ist Sieger.

 

 

Gemeinsames Holzhaien zum Kochen

 

 

Wäschewaschen und klatschnass aufhängen. Das erspart das Bügeleisen.

 

 

Auf dem mittlerweile neu erworbenen Grundstück wurde ein kleiner Garten angelegt. Um die Pflanzen vor den frei laufenden Hühnern zu schützen, ist dieses Grundstück mit Moskitonetzen umzäunt. Trotzdem gibt es immer wieder Schlupflöcher für die Hühner.

Im Gemüsebeet. Setzlinge werden bewässert und umgesetzt..

 

 

Das Gelände wird täglich von den Kindern mit dem Reisigbesen gereinigt

 

 

In naher Zukunft wird das im Bau befindliche Stallgebäude fertig sein, das eine intensive Schweine­

und Hühnerhaltung ermöglicht.

Neben dieser zukünftigen Einnahmequelle durch die Tierhaltung machten auch die Nähstube sowie der kleine Laden und Computershop einen guten Eindruck auf mich. Nach Auskunft von Mama Teclas Sohn George können hier im Monat durchschnittlich 200€ durch Verkäufe erwirtschaftet werden. Während meines Aufenthalts hatten wir leider vier Tage lang Stromausfall. Zahlreiche Kunden aus der näheren

Umgebung kamen daher, um ihre Handys aufzuladen, was mit Hilfe eines im Waisenhaus vorhandenen Generators möglich war. Im Laden werden Kopien erstellt und auch Schulmaterial

verkauft.

Der zukünftige Schweinestall. In jeder Box sollen vier Schweine unterkommen.

 

 

Handyladung mit Generator

 

 

Im Shop gibt’s Schulmaterial u. Bücher

 

 

Das Nähzentrum. Hier werden auch die Schulunformen für alle Kinder genäht

 

 

Vervielfältigte Lernmaterialen finden reißenden Absatz nicht nur bei den Schülern, sondern auch bei den Lehrern der nahe gelegenen Schule. Mit Hilfe einer gespendeten Kamera sollen in Zukunft Passbilder gemacht werden. Die von TansaniaKids im vergangenen Jahr finanzierten Geräte, Drucker, Fotokopierer, Papierschneidemaschine und die beiden Computer, sind in einem guten Zustand. Der Laden ist mit einfachen, selbstgebauten Holzregalen ausgestattet worden.

 

Für die Schulkinder stellte der Stromausfall jedoch eine besondere Schwierigkeit dar, da in der Dunkelheit ab 18.00 Uhr keine Hausaufgaben mehr gemacht werden konnten. Nach dem Abendessen ist die festgesetzte Studierzeit, in der auch die Älteren den Jüngeren Nachhilfe geben.

Alle machen am Abend fleißig ihre Hausaufgaben

 

 

Englische Vokabeln lernen

 

 

Die Älteren üben mit den Grundschulkindern die Zahlen von 1-100

 

 

Fernsehschauen und ausgelassenes Spiel mit den gespendeten Spielsachen ist nur am Wochenende möglich, wenn die Kinder ihre freie Zeit selbst gestalten dürfen. Am Wochenende kommen auch viele Besucher, überwiegend Studenten, die gerne mit den Kindern spielen.

Gemeinsames Fernsehschauen am Wochenende

 

 

 

Die neue Gitarre ist der Hit

Die von mir mitgebrachten Geschenke, eine gespendete Gitarre und mehrere Flöten vom Kinderheim St. Alban, Kleidung und Schuhe, Spiele, ein Springseil und Buntstifte ließen die Kinderherzen höher schlagen. Der Hit war diesmal die Gitarre. Jeder wollte unbedingt damit spielen. Mama Tecla hofft, bald einen Gitarrenlehrer zu finden, der die Kinder unentgeltlich unterrichtet.

Mit den dicken Buntstiften haben die Kinder am Wochenende Tierbilder ausgemalt. Wir haben die Werke mit Namen versehen und erstmalig eine Ausstellung durchgeführt. Die Kinder waren begeistert, ihr eigenes Werk an der Wand zu sehen und es mit den Bildern anderer Kinder vergleichen zu können. Ein ganz einmaliger und besonderer Moment für sie. Kunst in der Schule gibt es nämlich selten, auch fehlt es immer wieder an Papier und Malutensilien.

 

Maiaktion im Freien                                                                                                                                      

    

 

Ob Groß, ob Klein, jeder ist beim Malen dabei

 

 

 

Unsere erste Bilderausstellung kommt super an

 

 

Das Waisenhaus verfügt über eine gespendete Musikanlage, so dass jeden Abend bis spät in die Nacht mit Mikrofon lautstark gesungen wird. Das Ganze wirkt auf einen Laien wie eine Art Karaoke­Veranstaltung. Dahinter verbirgt sich aber ein intensives Beten und wildes Tanzen zu den Rhythmen, die ein Kind auf einem umgedrehten Plastikeimer vorgibt. Diese Ausgelassenheit ist ansteckend, weshalb auch ich ausgelassen mitgetanzt habe.

All abendlicher Tanz in der Dunkelheit

 

 

Ausgelassen sind alle dabei

 

 

 

Während meines Aufenthalts habe ich den Behördenleiter der zuständigen Bezirks-Sozialstation besucht. Leider ist Tansania so arm, dass er so gut wie keine Mittel hat und so nur den finanziellen Mangel verwalten kann. Die Regierung gibt nicht genug Geld für die Region, so dass das Waisenhaus auf Spenden aus der Nachbarschaft und weiterer Sponsoren angewiesen bleibt. Für sämtliche sozialen

Belange des Bezirks stehen der Sozialstation gerade mal ca. 2000€ im Jahr zur Verfügung. In der Region gibt es noch zwei weitere Waisenhäuser, die sich in einem sehr schlimmen Zustand befinden. Die gesamte Region Ifakara kann als Armenhaus Tansanias bezeichnet werden. Die meisten Menschen verkaufen landwirtschaftliche Produkte, bieten ihre Dienste an und leben von der landwirtschaftlichen Selbstversorgung.

Darüber hinaus gibt es das St. Francis Distrikt

Krankenhaus sowie zahlreiche Schulen.

Treffen mit dem Behördenleiter der Sozialstation

 

 

Darunter auch eine Schule für Gehörlose, die ebenfalls dringend Unterstützung für eine technische Ausstattung mit Laptop und Beamer bräuchte. Hier kommen die gehörlosen Kinder von sehr weit her. Mit einem Lehrer dieser Schule habe ich eine Familie besucht, in der ein gehörloses Kind lebt. Auch zwei gehörlose junge Frauen wohnen zusammen, um sich den Alltag zu erleichtern. In der Freizeit wird Fußball gespielt, was trotz dieser Behinderung erstaunlich gut funktioniert.

Hinweisschild zu Gehörlosenschule

 

 

Besuch bei zwei gehörlosen Frauen

 

 

In der Secondary School des Waisenjungen Kepha Erasto (14 J.), ganz rechts im Bild

 

Um mir einen Eindruck von der Familiensituation zweier Mädchen, die momentan im Waisenhaus leben, zu verschaffen, hat mich Mama Tecla zu deren Eltern gebracht. Der Vater ist blind, die Mutter kriecht mit beiden Beinstümpfen am Boden. Insgesamt gibt es in dieser Familie fünf Geschwister, von denen Mama Tecla zwei bei sich aufgenommen hat. Die Eltern leben in einer sehr kleinen Lehmhütte, in der eine Matratze mit einer Decke am Boden liegt. Der dunkle Raum hat keine weitere Ausstattung. Dass diese schwer behinderten Eltern kaum Geld verdienen können, um ihre fünf Kinder zu ernähren, ist offensichtlich. Erschüttert und sprachlos verlasse ich deren Hof. Diese einzige Matratze wurde ihnen von Mama Tecla gespendet, davor nächtigten alle auf Matten aus Reisstroh. Auch bringt sie dieser Familie immer wieder mal Lebensmittel oder gespendete Kleidung mit. Neben dieser Familie habe ich auch Nachbarkinder besucht, die sich in einer ähnlich ärmlichen Situation befinden. Von den Eltern verlassen kochte z.B. ein etwa elfjähriges Mädchen für ihre jüngeren Geschwister und sorgte für sie, so gut sie eben konnte. (Diese Begegnungen mit den äußerst schwierigen Lebenssituationen habe ich nicht fotografiert.) Regelmäßig essen deshalb vor allem am Abend deutlich mehr Kinder aus der Nachbarschaft im Waisenhaus mit. Auch werden weitere Kinder mit Schuluniformen ausgestattet, die nicht im Waisenhaus leben.

Ich bin sehr froh, dass ich das quirlige und ausgelassene Leben im Waisenhaus eine Woche lang miterleben durfte. Momentan ist für alle Kinder genügend Essen vorhanden und niemand muss Hunger leiden. Auch die medizinische Versorgung ist gewährleistet, da ein befreundeter Arzt aus dem nahegelegene Krankenhaus die Kinder regelmäßig unentgeltlich untersucht. Teuer sind jedoch die Medikamente, die ein paar Kinder regelmäßig einnehmen müssen (u.a. HIV). Im nächsten Schuljahr werden voraussichtlich neun Schüler auf weiterführende staatliche Schulen gehen können.

Für alle diese Kinder hoffe ich deshalb, dass der Verein TansaniaKids auch in Zukunft genügend Spenden erhält, um die Grundversorgung zu sichern und die geplante landwirtschaftliche Intensivierung der Tier- und Pflanzenzucht durchführen zu können. Der Neubau zweier Schlafräume steht ebenfalls auf der Agenda. Damit die Kinder weiterhin ihre Prüfungen erfolgreich bewältigen können, müssen noch mehr Schulbücher gekauft und muss die Schulausbildung unterstützt werden.

Bei allen Sponsoren und Unterstützern möchte ich mich von ganzem Herzen für Eure Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft bedanken. Ihr alle seid es, die diese deutlich sichtbare positive Entwicklung im Waisenhaus ermöglicht habt.

In Gedanken noch in Tansania bei den Kindern und den zum Teil unbeschreiblichen Erlebnissen …

Herzliche Grüße